Episode 14:
Mit Scouting-Konzept in die Zukunft

Der FC als Synonym für Stillstand in der Fußballbranche

Wenn die Liebe zu unserem Club und auch zu dem Sport, besonders als Live-Erlebnis, nicht so groß wäre, man könnte sich das ignorante Treiben glatt mit einem Lächeln anschauen und sich sagen, schau Dir die alten Männer an, wie sie völlig aus der Zeit gefallen immer noch die gleichen Dinge von sich geben, wie auch schon vor 30 Jahren.

Der Autor vieler spannender Fußballbücher, Dietrich Schulze-Mermeling, beschreibt das passenderweise so:

Dass die „Alten“ und „Ehemaligen“ herummäkeln, findet man auch in anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Im Fußball aber ist das oft besonders penetrant und lautstark. Was auch mit einigen Medien (vornehmlich dem Boulevard) zu tun hat, die es lieben, wenn „die Alten“ und „Ehemaligen“ auf „die Jungen“ eindreschen. Bringt Klicks. Außerdem ist man derselben Meinung: Fußball muss so bleiben, wie er mal war. … Weiterbildung? Nein, danke! Eigene Schwächen lassen sich immer noch am besten kaschieren, indem man frontal und lautstark angreift.

… Mehmet Scholl kritisiert BVB-Trainer Edin Terzic. Nach Terzics zweitem Auftritt als Cheftrainer des BVB weiß Scholl bereits, in welche Schublade der Novize gehört. Terzic ist ein „Laptoptrainer“! …„Laptoptrainer“ ist zu einem Kampfbegriff geworden. Natürlich gibt es diese Nerds, die, was die Taktik anbelangt, analytisch perfekt sind, aber keine Mannschaft führen können, weil es hierzu noch weiterer Qualitäten bedarf. Aber Nagelsmann, Terzic und Co. gehören nicht in diese Schublade. Mittlerweile wird jeder als „Laptoptrainer“ bezeichnet, der sich etwas tiefere Gedanken über den Fußball seiner Mannschaft macht. Möglicherweise treibt Scholl ein Minderwertigkeitskomplex. Als Trainer hat er keine Spuren hinterlassen. Der Fußball zieht weiter, aber Scholl möchte nicht zugeben, dass er den Anschluss verloren hat, weil er keine Lust auf Weiterbildung hatte, dass ein Edin Terzic, 13 Jahre jünger, mehr über Fußball weiß. Wie auch ein Julian Nagelsmann, sogar 18 Jahre jünger.

Und diese verbalen Rituale, die wir aus dem Fernsehen, den Print- und Online-Medien kennen, sind lediglich die Symbolik für das Handeln in den Vereinen. Unter anderem waren wir dank der Einflussnahme von Herrn Wehrle, der beide Vorstände dahin gehend beeinflusste, am Ende doch auf alte Bekannte von ihm zurückzugreifen, leider zuletzt personell ganz klassisch exakt so aufgestellt, dass sympathische Dampfplauderer wie Veh und Heldt, die exakt in diese Riege der aus der Zeit gefallenen alten Haudegen passen, einen der wichtigsten Posten beim FC besetzen durften. Und das in einem Verein, der keinerlei moderne Strukturen aufgebaut hat, die ein Korrektiv oder wenigstens eine Hilfestellung leisten könnten.

Diese Angst, neue Wege zu gehen, vor allem im sportlichen Bereich, liegt unter anderem genau darin begründet, dass die Vereine in ihrer Führung meist ähnlich aufgestellt sind. In den Vorständen findet man meist ehemalige, schon ältere Wirtschaftsbosse oder Politiker, die – der eine mehr, der andere weniger – etwas von Marketing, Finanzen oder zumindest der Pflege von Seilschaften verstehen. Hier und da garniert man das Ganze gerne auch noch mit einem “Ehemaligen”, weil das dann die sportliche Kompetenz vortäuschen soll.

Die Wirtschaftsbosse und Politiker, meist völlig ahnungslos von der Materie, geben ihren leitenden Angestellten, deren Kompetenzprofil meist nur darin begründet liegt, früher einmal gut gegen Ball getreten zu haben, völlige Handlungsfreiheit, weil sie große Ehrfurcht vor den “Verdiensten” dieser früheren Spieler haben. Dass die aktuelle Tätigkeit nur sehr wenig mit dem vorherigen Beruf des Profifußballers zu tun hat, lassen sie dabei völlig außer Acht, weil auch sie sich gerne im Glanz der Ehemaligen sonnen. Letztlich verhalten sie sich oft nicht anders als kleine Kinder, die um ein Autogramm betteln.

So kommt es zu der fatalen Konstellation, dass die meisten Kontrollgremien praktisch nur aus Fanboys (“die wissen schon, was sie tun, der hat ja schließlich xy Länderspiele/Tore gemacht) und aus Brüdern im Geiste bestehen, also anderen ehemaligen Spielern, die sich und ihr Gegenüber allein schon deshalb für kompetent halten, weil sie mal ausgezeichnete Kicker waren. Und, weil die Wirtschaftsbosse und Politiker es für normal erachten, dass der “starke Mann” alles regelt, unterlassen sie es einfach, diesen Geschäftsführern/Sportdirektoren ein kompetentes Team an die Seite zu stellen, das ihre Defizite ausgleicht.

Kurz gesagt, man verlässt sich im Zweifelsfall komplett und ohne jede eigene Analyse oder Kompetenz auf die leitenden Angestellten, die regelmäßig über keinerlei Kenntnisse des modernen Fußballs verfügen, geschweige denn eine strukturelle Entwicklungsidee für den Verein haben. Dazu holt man sich keinen externen Rat oder, um konkret auf den FC einzugehen, holt man sich diesen Rat bei diesen völlig aus der Zeit gefallenen Ehemaligen.

Und man muss ehrlich konstatieren: Das fällt bei vielen Fans und Mitgliedern auf sehr fruchtbaren Boden, weil sie immer wieder auf die alten Helden hereinfallen wollen. Der althergebrachte Spruch, der Mensch ist ein Gewohnheitstier, wohnt in unterschiedlichen Ausprägungen jedem Menschen inne.

Veränderung erfordert Mut. Da die Fußballbranche öffentlich vor allem durch Phrasendrescherei auffällt, unter anderem auch um die Korruption und den unendlichen Geldfluss nicht zu behindern, können wir es dem einfachen Fan, der sich nur über die Zeitung informiert, nur begrenzt übel nehmen, wenn er zum x-ten Mal nach Ehemaligen und den damit verbundenen nicht vorhandenen Kompetenzen ruft und dabei ausklammert, dass genau diese Art von Personen, ehemalige Spieler, Trainer, Politiker oder gar Spielerberater verantwortlich sind für einen 1. FC Köln, der nun seit gut drei Dekaden völlig hinter seinen Ansprüchen und vor allem hinter seinen Möglichkeiten bleibt.

Dass diese kollektive Ignoranz in einem System, das viel Geld generiert und mit einem besonderen Öffentlichkeitsstatus versehen ist, nicht nur im Fußball weitverbreitet ist, kann man gut im Hollywood Blockbuster “Moneyball” mit Brad Pitt sehen. Wer den Film nicht kennt, der auf wahren Begebenheiten beruht, hier kurz der Inhalt: Anfang des Jahrtausends tut sich der Trainer eines bis dahin relativ erfolglosen MLB-Baseballteams mit einem Computernerd zusammen, setzt beim Scouting auf ein computergestütztes Statistik-Verfahren und landet dann mit dem Team einen neuen historischen Ligarekord von 20 Siegen in Folge.

Für die großen US-Sportarten war das der letzte Weckruf, Innovationen, vor allem wissenschaftlicher Natur, werden nicht mehr verlacht, sondern als Innovationsmotor begriffen.

Anders beim Fußball. Die Weltsportart Nr. 1 ignoriert, abgesehen von wenigen Ausnahmen, alle möglichen Erkenntnisse, obwohl der FC Midtjylland in Dänemark längst bewiesen hat, dass “Moneyball” auch im Fußball zu unglaublichen Erfolgen führen kann. Der Verein aus der Kleinstadt Herning in Mitteljütland verkörpert seit seiner Übernahme 2014 durch den Engländer Matthew Benham den Fußball der Zukunft und hat sich durch moderne Datenanalyse und cleveres Scouting entscheidende Wettbewerbsvorteile verschafft. Drei Meisterschaften, ein Pokalsieg, regelmäßige Europapokal-Teilnahmen – das dänische Märchen spricht eine eindeutige Sprache.

Wir empfehlen unseren Lesern das inzwischen auch schon etwas in die Jahre gekommene doch immer noch spannende und halbwegs aktuelle Buch “Die Fußball-Matrix” von Christoph Biermann. (An dieser Stelle, herzliche Grüße an Werner Wolf und Eckhard Sauren. Wir haben ihnen vor gut einem Jahr jeweils ein Exemplar am Geißbockheim vorbeigebracht, befürchten aber, dass sie unser Geschenk komplett ignoriert haben und bis heute nicht eine Seite dieses Standardwerks gelesen haben.)

Wir haben Euch in Episode 13 versprochen, konstruktive Ansätze zu präsentieren und nicht nur mit erhobenem Zeigefinger die Defizite aufzuzeigen. Deshalb möchten wir den House of Goats-Lesern anhand von Beispielen einige Ideen und Möglichkeiten aufzeigen.

Sicherlich ist Euch klar, dass es massig interessante Ansätze gibt und es vor allem selbstredend Experten auf den jeweiligen Gebieten gibt, die verschiedenste Module in ein Gesamtkonzept einbetten könnten. Doch das einfach nur ernsthaftes Interesse am FC und am Fußball, etwas planerisches Denken und Verständnis für das digitale Zeitalter ausreichen, um neue Wege bestreiten zu können, das können unsere exemplarischen Ansätze aufzeigen.

Es gibt sehr viele spannende Bereiche, die man optimieren könnte und sollte, wir wollen uns hier mal auf die Punkte Kaderplanung und Scouting konzentrieren.

Egal, was ihr von den folgenden exemplarischen Ansätzen haltet, um Ideen zur Diskussion zu stellen, muss man sie zu Ende denken und nicht in Slogans und Überschriften verharren. Nur eine ausformulierte Planung einzelner Ziele bildet eine echte Diskussionsgrundlage. Mit Phrasen, Überschriften und guten Wünschen wie beim “FC-Matchplan” ist das nicht möglich.

 

Kaderplanung

Da der FC in dem Bereich überhaupt kein Konzept zu haben scheint, fangen wir mal mit den Grundlagen an: Ermittlung des Bedarfs.

Es mag sich banal anhören, doch wir haben es so oft erlebt, dass am eigentlich eindeutig sichtbaren Bedarf vorbei gekauft wurde. Am Anfang aller Zukunftsplanung muss eine Kaderanalyse stehen, die die Schwächen und Stärken klar benennt, um dann im nächsten Schritt die Prioritäten für den Bedarf festlegen zu können.

Dazu gehört auch eine allgemeine Philosophie zur Kadergröße und Besetzung. Wenn man auf Entwicklung angewiesen ist, sowohl sportlich als auch finanziell bietet sich eine kleine Kadergröße mit hoher Leistungsdichte an. Abgesehen von ablösefreien, preiswerten Gelegenheiten als Ausnahme von der Regel sollten Neuzugänge grundsätzlich immer unter den Kriterien des sportlichen Weiterentwicklungspotentials als auch des Wertsteigerungspotentials gescoutet und gekauft werden. Das heißt keinesfalls, dass die Philosophie einem totalen Jugendwahn folgen muss, es heißt aber schon, dass Spieler, die Ablöse kosten, in einem Alter und auf einem Entwicklungsstand sein sollten, damit der Verein möglichst doppelt profitiert, erst zwei, drei Jahre sportlich und dann bei der Abgabe des Spielers auch finanziell.

Außerdem ergibt es keinen Sinn, eine Kaderbreite auf alle möglichen Eventualitäten anzupassen. Je nach festgelegter Spielphilosophie sollte jede Position grundsätzlich “nur” doppelt besetzt sein, das dafür aber auch ganz konsequent ohne Ausnahme, im Ergebnis also ein 23-Mann-Kader (20 Feldspieler, 3 Torhüter). Alle weiteren Plätze sollten dem eigenen Nachwuchs vorbehalten sein. Auch das hört sich banal an, doch kramt mal in Eurer Erinnerung, wie oft wir über die Jahre unbesetzte Positionen hatten oder zumindest nur eine völlig konkurrenzlose Erstbesetzung, ganz zu schweigen von einem Kader, der viel zu groß ist, qualitativ aber trotzdem nicht mehr als 15-16 wirklich ernsthafte Optionen anbietet. Einer der Gründe für unausgewogene, zu große Kader war und ist häufig auch, dass nicht zielgerichtet nach Positionen eingekauft wird.

Das zieht für die Erstbesetzung folgende Schlussfolgerung nach sich. Zum einen: Wenn eine Philosophie z.B. zwei Stürmer vorsieht, also in der Summe bei Doppelbesetzung dann vier im Kader sind, dann ergibt es keinen Sinn, einen (unflexiblen) Trainer einzustellen, der dogmatisch sein System spielen möchte, dass nicht zur angedachten Kaderplanung passt. Deshalb ginge es bei der Festlegung, in welchem System sieht sich der FC unabhängig von wechselnden Personen auf den wichtigen sportlichen Führungspositionen sieht, gar nicht so sehr um “Rasenschach” oder den überbewerteten System-Diskussionen, also z. B. um 4-2-3-1, 4-4-2 oder 3-5-2, sondern ganz schlicht um Planungssicherheit. Die meisten niederländischen Mannschaften blieben deshalb ganz pragmatisch immer bei ihrem System, weil es die ideale Voraussetzung für einen geplanten Aufbau für Nachwuchs- und Kaderplanung ist und nicht deshalb, weil sie meinten, irgendwann vor vielen Jahrzehnten den heiligen Gral unter den möglichen Systemen gefunden zu haben.

Um das Ganze nun etwas abzukürzen… Erstens: machen wir uns als Kaderplaner Gedanken, auf welcher Position ich eine Erstbesetzung habe, die ich nicht zeitnah abgeben will/muss. Welche Lücken ergeben sich dadurch in der ersten Elf im Gegensatz zu den gesetzten Spielern. Auf welchen Positionen ist der Bedarf am größten, sprich, wofür soll das jeweilige Ablösebudget prioritär verwendet werden.

Zweitens: Auf welchen Positionen habe ich Ideen für ablösefreie Spieler oder potenzielle Leihkandidaten, die aufgrund der großen Konkurrenz bei den europäischen Top-50 Clubs noch nicht in die erste Elf drängen, denen man aber die Erstbesetzung beim FC in der Bundesliga zutrauen kann.

Und nicht zu vernachlässigen, die Zweitbesetzung. Welchen Spielern aus den Nachwuchsmannschaften ist zuzutrauen, innerhalb von kurzer Zeit nah an das Leistungsspektrum des Stammspielers heranzukommen. Auch hier wäre der Blick auf Leihkandidaten bei externen Talenten, möglichst mit Kaufoption, ein wichtiges Element. Das Profil hängt auch immer vom Stammspieler ab, wenn man einen jungen Bornauw als Erstbesetzung eingeplant hat, dann muss der Herausforderer nicht unbedingt zwingend ein 19-Jähriger sein. Grundsätzlich sollte aber der Konkurrent um den Stammplatz schon allein deshalb ein gewisses Entwicklungspotenzial haben, weil ein echter Konkurrenzkampf nur dann tatsächlich einer ist, wenn der Herausforderer diesen Kampf auf kurze oder zumindest mittlere Sicht auch für sich entscheiden könnte. Und das geht nur dann, wenn der Konkurrent noch Entwicklungsschritte vor sich hat.

In solch einem System kann also keinesfalls der 26 -Jährige Benno Schmitz, also ein Spieler ohne jedes weitere Entwicklungspotenzial, der Herausforderer des ebenfalls 26 jährigen Kingsley Ehizibue sein. Genauso wäre es ausgeschlossen, dass man auf Außen eine Vakanz hat und dann wegen fehlendem Scouting und keiner Marktübersicht einen zentral-offensiven Mittelfeldspieler holt, weil ihn der neue Trainer kennt. Ebenso holt man nicht einen gerade frisch gewechselten Ex-Kieler für völlig überteuerte 4,5 Mio. € aus Dänemark, der mit 28 Jahren in der zweiten Liga gerade seinen Karrierehöhepunkt erreicht hatte.

Eine Modellierung erhöht also den Anspruch an die Kaderplaner und kann nur zur Realität werden, wenn mit ganzjähriger Analyse und eigenen Marktkenntnissen eine aktive Kaderplanung gestaltet wird, die initiativ ist. Es verhindert für den Club eine Ansammlung von teuren (langfristig gebundenen) Spielern, die nur noch zum Kader gehören, weil sie absolute Ladenhüter sind.

 

Zusammenfassend und vorbereitend für den Bereich Scouting:

  • Der FC entscheidet sich für ”sein” Basis-Spielsystem, um von der U15 bis zu den Profis stringente Kaderplanung betreiben zu können.

  • Die Kadergröße in allen Jahrgängen wird nach dem ausgewählten System für einen intensiven Konkurrenzkampf grundsätzlich nur doppelt besetzt, möglichst mit hoher Leistungsdichte.

  • Bei der Kaderplanung sind immer auch die Weiterentwicklung- und Wertsteigerungspotentiale zu beachten.

  • Die ganzjährige Kaderanalyse wird regelmäßig mit potenziellen Kandidaten des digitalen Scoutings abgeglichen.

  • Das Scouting wird antizyklisch geplant, die digitalen Erkenntnisse fließen in eine zielgerichtete Scoutingplanung ein.

  • Der FC wird zu “dem” wissenden Club, die Kaderplanung ist proaktiv, Spieler die via Berater aktiv angeboten werden, sind nur in Ausnahmefällen zu beachten.

  • Über eine digitale Rasterfahndung wird eine eigene Datenbank aufgebaut, die nach festgelegten Kriterien in der Anzahl der Spieler übersichtlich bleibt, doch zu jedem Zeitpunkt ein fester Bestandteil der Kaderplanung und des Scoutings ist.

  • Man beginnt mit dem Aufbau eines Netzwerkes, dass frühzeitig Informationen bereitstellt und mögliche Kooperationen vorbereitet.


Scouting

Es ist eigentlich etwas absurd, dass ausgerechnet der Fußball die mannigfaltigen, häufig kostenlosen, Informationen nicht nutzt, obwohl es kaum einen zweiten Bereich auf der Welt gibt, in dem so viele Menschen leidenschaftlich Freizeit opfern, um sich teilweise auf fast professionellem Niveau über eine Liga, einen Club oder irgendwelche Talente auszutauschen.

Vermutlich muss man das vorweg schreiben: Auch für diese hier angedachten Auswertungen bräuchte es Personal. Einige sprachlich begabte und gleichzeitig fußballinteressierte Studenten, einen Leiter, der die Vorgaben und Kriterien einführt, das Team anleitet, der in regelmäßigen Jour fixe mit der Leitung des Scoutings und der Kaderplanung die nächsten Schritte plant und eine Anbindung an die IT-Abteilung. Bei dem zu erwartenden Informationsoutput wäre es aber budgetär überschaubar.

Es ginge nicht um eine Neuauflage des Sportslab, was völlig überdimensioniert und zu teuer war und typisch FC, ohne Zielparameter und ohne konzeptionelle Gesamteinbindung einfach nur eine Datensammlung wurde, bei der niemand wusste, was mit den Daten überhaupt geschehen soll. Wir vom House-of-Goats erhielten damals eine Sportslab-Führung, es war gleichzeitig faszinierend zu sehen, was man mit dem System theoretisch hätte bewirken können, als auch schockierend, mit welch naiver Haltung dort Geld verpulvert wurde. Erinnerte ein wenig an die NSA: Hauptsache, erst mal alle Daten sammeln. Dass die Sammelwut ohne Konzept völlig ineffektiv ist, hatte niemand bedacht.

Die oben in der Kaderplanung beschriebenen Parameter würden also schon mal eingrenzen, welche Art von Spielern überhaupt in eine Rasterfahndung kämen. Es beginnt also in einer der bezahlten oder kostenlosen Datenbanken. Passt ein Spieler anhand seines grundsätzlichen Profils, Potenzials, spielt er bei einem Club in einer schwächeren Liga oder bei einem der großen Clubs in der zweiten, dritten Reihe. Hier geht es meist um den großen Pool der Spieler zwischen 18 und 22 Jahren. Außerdem sollte der Club zu jeder Zeit wissen, welche eigentlich schwer erreichbaren arrivierten, also schon etwas erfahreneren Spieler, haben in ihrem Club wenig Spielzeit. Also ein frühzeitiges Wissen über temporäre Unzufriedenheit, um dann frühzeitig diesen Spieler ansprechen zu können.

Welche Verträge von ambitionierten, aber erreichbaren Spielern laufen in den nächsten 12-18 Monaten aus. Kein großes Branchengeheimnis ist, dass sich manch ein Spieler zu einem Wechsel entscheidet, weil sich ein Verein langfristig um ihn bemüht hat. Welcher U-Nationalspieler könnte bei dem nächsten U-EM oder WM Turnier unerreichbar werden, also wen lohnt es, antizyklisch während der wenig beachteten Qualifikationsspiele oder im Club zu beobachten, lange, bevor das besagte Turnier ist.

Wenn einer der Studenten also einen dieser Datenbank-Spieler nun digital “scannt”, also eine Recherche beginnt, baut sich mit der Fülle der Informationen automatisch ein Bild auf, ob das ein beachtenswerter Kandidat für die FC-Datenbank sein könnte. Also selbst, wenn die Mischung neben professionellen Artikeln auch Berichte von Hobbyscouts, diversen Datenbanken beinhaltet, auch wenn es absurd klingt, selbst die Bewertung von Computerspielen kann als einzelnes Indiz mit einfließen, dann hat man trotz der sehr unterschiedlichen Quellen ein Gesamtbild und eine Informationslage, die zu einem zielgerichteten Scouting führen kann. Die Zeiten sollten vorbei sein, in denen man hörte, der FC gibt eine Million für das Scouting aus und hat unter anderem seinen Schwerpunkt in Portugal gesetzt und trotzdem ist dann in der nächsten Transferperiode kein einziger Spieler aus der portugiesischen Liga im Gespräch.

Da es ansonsten selbst für unsere Verhältnisse zu ausführlich wird, halten wir hier inne. Wir denken, das Grundprinzip ist klar geworden. Information und Timing haben im Fußballgeschäft einen eigenen hohen Wert.

So wäre dann mit etwas Marktüberblick möglicherweise statt Özcan, einem Spieler, der angeblich schon als 18-jähriger Jugendspieler einen Profivertrag über 1,2 Mio. € im Jahr erhalten hatte und nun scheinbar zu verbesserten Bezügen verlängert wurde, obwohl es nie zum Stammspieler beim FC gereicht hat, etwa ein Angelo Stiller ablösefrei und für ein Drittel des Gehaltes gekommen. Bei dem 19-jährigen Talent der Bayern weiß man noch nicht, ob es für die erste Liga reicht, was Hoffenheim nicht davon abhält, ihn zu holen. Jedoch wissen wir leider jetzt schon, dass es bei Özcan in den letzten fünf Jahren nicht für die erste Liga gereicht hat. Unter diesem Aspekt ergibt es keinen Sinn, das Experiment zu verlängern.

Es ist völlig unverständlich, dass der FC einen auslaufenden Spieler teuer verlängert, der in fünf Profijahren nichts gezeigt hat, was für eine so hoch dotierte Verlängerung spricht, wenn der FC gleichzeitig behauptet, einen hohen Transferüberschuss erwirtschaften zu müssen, um überhaupt die nächste Saison seriös planen zu können.

Das zeigt nur, wie dringend notwendig professionelle Veränderungen in unserem Club sind.

Diese Nachricht und die Ankündigung, dass mit Uth ein weiterer überalterter Topverdiener kommen soll, macht uns einfach nur noch fassungslos. Nur mal zur Erinnerung: Uth hat immer nur als hängende oder zweite Spitze brilliert. Alle Experimente als alleiniger zentraler Stürmer oder als Außenspieler sind auf Schalke oder in Hoffenheim gescheitert. Die Behauptung auf der MV, er sei ein echter Stürmer und habe nichts mit der Personalie Duda zu tun, ist vor diesem Hintergrund abenteuerlich. Als Uth bei Hoffenheim seine erfolgreichste 12-Tore-Saison gespielt hat, hatte er mit Kramaric und Gnabry nicht nur unglaubliche Qualität neben sich, die drei Spieler konnten innerhalb des Spiels positionell rotieren, wobei vor allem Kramaric meist den eigentlich zentralen Mittelstürmer gab.

Die weiteren Gerüchte um Außenspieler sind ein weiterer Beleg dafür, dass man ihn entweder als alleinige zentrale Spitze einplant oder einfach, wie seit Jahren üblich, jede Möglichkeit nutzt, die sich über einen Berater ergibt, ohne sich über Positionen, Kaderstruktur und finanziellen Gegenwert vernünftige Gedanken zu machen.

Tatsächlich bestätigen diese beide Personalien nur wieder, dass es beim FC keine professionelle Planung gibt, wie sie für einen Club, der in den letzten 30 Jahren völlig den Anschluss verloren hat, unerlässlich wäre, um den Rückstand eventuell doch noch einmal aufholen zu können.

Stattdessen wird hier gerade der siebte Abstieg vorbereitet. Denn außer dem Prinzip Hoffnung ist nichts erkennbar, jedenfalls kein zukunftsträchtiger Plan.

 

Fortsetzung folgt …

Was bisher geschah

Episode 13:
Der FC-Matchplan

Bullshit Bingo oder wenn Phrasen ein Konzept vortäuschen

Episode 10: Die finanzielle Entwicklung des 1. FC Köln unter Alexander Wehrle – Teil 2

Analyse, Teil 2